Frischer Wind in Dachau

Frischer Wind in DAH“: Der Saal im Gasthaus Doll war rappelvoll

Mit diesem Ansturm hatten die Veranstalter selbst nicht gerechnet. Der Arbeitskreis Windkraft im Landkreis Dachau hatte am 25. Mai zum Thema „Windkraft im Landkreis gestalten“ vier Referenten geladen, die über ihre Erfahrungen mit Windenergie berichten konnten. Offenbar ist der Informationsbedarf groß: Der Wirt musste rasch noch weitere Stühle herbeischaffen, damit alle Gäste Platz fanden.

An die 200 Besucher im Gasthaus Doll

Alle Referenten – drei Bürgermeister und ein Genossenschafts-Vorstand – waren sich einig: Wir brauchen die Windkraft, um unsere Energieversorgung zu sichern und das Klima zu schützen. Man sollte das Feld aber nicht Rendite-fokussierten Investoren von außerhalb überlassen. Wenn man die Bürger mitnehmen will, müssen sie sich an der Finanzierung und am Ertrag von Windrädern beteiligen können. Zum Beispiel in Form einer Genossenschaft.

So konnte Werner Hillebrand-Hansen von der Bürgerenergie-Genossenschaft Freisinger Land äußerst positive Zahlen vom Windrad bei Kammerberg präsentieren: Es leistet im Schnitt 7 Mio. kWh pro Jahr – deutlich mehr als prognostiziert, und das obwohl es 18 % der Zeit stillsteht. Besonders viel Energie erzeugt es in den Wintermonaten und nachts – und ergänzt so ideal die PV-Anlagen, die die Genossenschaft ebenfalls betreibt. Beim Flächenverbrauch sei die Windkraft aber klar im Vorteil: Nur 0,3 ha braucht ein Windrad, eine Freiflächen-PV-Anlage dagegen für dieselbe Energiemenge 14 ha, und eine Biogasanlage stolze 600 ha!

Auch die Gemeindekasse profitiert

In Gerolsbach im Landkreis Pfaffenhofen können sich die Bürger ebenfalls an einer Windenergie-Genossenschaft beteiligen. Sie betreibt zusammen mit der Gemeinde drei Windräder, die ca. 17 kWh Strom pro Jahr erzeugen und damit 4600 Haushalte versorgen können – ein Vielfaches dessen, was in der Gemeinde verbraucht wird, wie Bürgermeister Martin Seitz berichtete. Von den Einnahmen konnte Seitz einen Kindergarten bauen und das Rathaus sanieren.

Werner Hillebrand-Hansen

Größere Probleme bereitet allen Windrad-Planern der Anschluss ans Stromnetz. Seitz musste für die drei Windräder eine Leitung für rund 1 Mio. Euro verlegen, und für die beiden neuen Anlagen, die er derzeit plant, wird er wohl zusammen mit einer Nachbargemeinde ein eigenes Umspannwerk bauen. Kostenpunkt: an die 7 Mio. Euro! Auch Hillebrand-Hansen, der ebenfalls neue Anlagen plant, rechnet mit hohen Kosten für den Anschluss: Für Anlagen aus vier Windrädern sei das 20-kV-Mittelspannungsnetz eine Nummer zu klein, da komme man um ein Umspannwerk auf 110 kV nicht herum. Unisono betonen die Referenten, dass das Bayernwerk dabei nicht gerade hilfreich sei. Bis der Netzbetreiber ein Umspannwerk baut, gingen gut und gerne 10 Jahre ins Land. Deshalb müsse man als Betreiber selbst aktiv werden.

Erhebliche Kosten verschlingt auch die Planung einer Windenergieanlage, insbesondere das aufwendige Artenschutzgutachten. Übereinstimmend berichten Hillebrand-Hansen und Seitz von rund einer halben Mio. Euro, die als Vorlaufkosten anfallen, bevor die Genehmigung erteilt – oder im schlimmsten Fall verweigert wird. Dieses Risiko kann keine Gemeinde aus ihrem Haushalt eingehen. Meist braucht es deshalb einen finanzkräftigen Projektierer, der mit den Planungskosten in Vorleistung geht.

Unterschiedliche Erfahrungen haben die Bürgermeister mit der Reaktion der Bevölkerung auf die Windenergiepläne in ihren Gemeinden gemacht. Während Martin Seitz von überwiegender Zustimmung berichtet, gab es in Pfaffenhofen an der Glonn einen „Riesenärger in der Bevölkerung“, als 2012 die ersten Planungen für Windräder bekannt wurden – so Bürgermeister Helmut Zech. Als die Staatsregierung dann die 10H-Regel verordnete, waren Bürgermeister und Gemeinderäte heilfroh, dass das Thema abgeräumt war – und haben es jahrelang nicht mehr freiwillig angefasst. Mittlerweile habe aber die Zustimmung zur Windenergie deutlich zugenommen, räumt Zech ein. Und tatsächlich hat der Pfaffenhofener Gemeinderat als einer der ersten im Landkreis eine Bauleitplanung für Windkraftanlagen beschlossen und ein Projekt mit fünf Windrädern auf den Weg gebracht.

Bürgergenossenschaft Dachauer Land gegründet

Auch in anderen Gemeinden im Landkreis kommt Bewegung in das Thema Windenergie. Bürgermeister Michael Reiter aus Altomünster berichtet von einer „Bürgerenergiegenossenschaft Dachauer Land“, die vor Kurzem von den Gemeinden Altomünster, Markt Indersdorf und Hilgertshausen-Tandern gegründet wurde. Auch weitere Gemeinden können sich beteiligen, und Bürger können Genossenschaftsanteile ab 100 Euro zeichnen. In diesem Herbst sollen die ersten Projekte vorgestellt werden.
https://www.buergerenergie-dachauerland.de/

Uli Rauhut vom Ak Windkraft, Michael Reiter, Werner Hillebrand-Hansen (von links)

Als Helmut Zech ins Publikum fragte, wer denn prinzipiell gegen Windräder sei, hob sich nur ein einziger Arm. Windräder seien ein Schandfleck in der Landschaft, man solle lieber auf Wasserkraft setzen, argumentierte die Frau. Andere Fragesteller waren eher an Details interessiert, etwa wie viel CO₂ durch eine Windkraftanlage eingespart werde. In Gerolsbach sind es 8500 Tonnen pro Jahr, so Martin Seitz. Und wie hoch sind die Einnahmen je Kilowattstunde? Bei circa sechs Cent pro kWh liegt derzeit die Mindestvergütung, erläutert Hillebrand-Hansen. Welche Pachtbeträge winken den Grundbesitzern? Martin Seitz spricht von einem sechsstelligen Betrag pro Windrad. Wie soll überschüssiger Strom gespeichert werden? Michael Reiter denkt an eine große Wärmepumpe, Martin Seitz plant einen Wasserstoff-Elektrolyseur. Will die neu gegründete Genossenschaft im Landkreis Dachau vom privilegierten Baurecht im Wald Gebrauch machen, um möglichst schnell Windräder zu realisieren? Auf diese Frage hat Michael Reiter noch keine konkrete Antwort. Es bleibt also spannend!

Weitere Infos:
Vier bis sechs Windräder pro Gemeinde sind schon drin (SZ vom 24.5.2023)
Das Thema Windkraft bewegt den Landkreis (SZ vom 26.5.2023)
Die Zeit ist reif (Merkur vom 27.5.2023)
Frischer Wind für Dachau (Dachauer Kurier vom 31.5.2023)
Frischer Wind im Landkreis Dachau (Dachauer Rundschau vom 3.6.2023)